4. Gewalt for Future: Klimawandel auch im Journalismus

Die Presse wird häufig als „4. Gewalt“ bezeichnet. Nicht nur bei der Berichterstattung zum Klimawandel ist das eine große Verpflichtung.

In meinem persönlichen Blog hatte ich zunächst an Tugenden aus meiner Kindheit und Jugend erinnert, die beim Umgang mit dem Klimawandel helfen könnten. Hinzu kamen Vorschläge für Maßnahmen zum wirksamen Klimaschutz. Als Journalist möchte ich zuletzt auch auf den notwendigen Klimawandel im Journalismus hinweisen, der sich aus den berufsethischen Grundsätzen wahrheitsgemäßer Berichterstattung ergibt.
Ein großes Problem ist bisher die Konzentration der politischen Berichterstattung auf Regierung und Parlament. So wichtig die Entscheidungen dort sind, so notwendig wäre immer eine Berichterstattung über ihre Auswirkungen und mögliche Opfer bereits im Vorfeld. Stattdessen habben sich viele Berichterstattende zu Komplizen der Mächtigen gemacht und ihre Sichtweise von Politik als Ränkespiel mit Intrigen und Personalkungelei übernommen.
Die Betrachtung von Politik als Blick auf die handelnden Personen verkürzt jedoch ihre wesentlichen Inhalte. Das zeigt sich auch bei Berichten über den Segelturn der 16-jährigen Greta Thunberg über den Atlantik zur Klimakonferenz in New York. So erfreulich der Hinweis auf Segelschiffe als umweltfreundliche Transportmöglichkeit ist, so ärgerlich ist die Kritik an Flügen von Organisationsverantwortlichen im Vorfeld von Gretas Reise.
Ohnehin werden Prominente von Medien gemacht und möglicherweise wieder zu Fall gebracht. Prominenz gilt als Kriterium für den Nachrichtenwert eines Ereignisses, drängt dabei inzwischen häufig aber viel wichtigere Nachrichten an den Rand. Während Greta in allen Medien ist, wird der brennende Amazonas in Brasilien, das Feuer auf den Kanarischen Inseln, das Abschmelzen von Gletschern weltweit nur gestreift und das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten höchstens als statistische Zahl erwähnt.
Fragen nach notwendigen Entscheidungen der Politik müssten längst im Vordergrund journalistischer Arbeit stehen. Interviews mit Forschenden sollten das Für und Wider einzelner Maßnahmen beleuchten. Recherchen zu Veränderungen der Umwelt müssten ebenso zum wöchentlichen Standard der Lokalberichterstattung gehören wie Berichte aus Alten- und Pflegeheimen oder von Bauernhöfen und aus Wäldern über die dramatischen Folgen langanhaltender Hitze.
Allerdings muss sich der Blick weiten. Afrika, Asien und Lateinamerika werden von der Berichterstattung häufig links liegen gelassen. Die weltweite Wirkung des Klimawandels bedarf aber auch eines globalen Blicks auf die Vorgänge auf allen fünf Kontinenten.
Flucht und Vertreibung aufgrund von Dürre und Hunger oder Überflutung werden wohl zunehmende Folge von Klimawandel und Misswirtschaft sein. Die Abwehr geflüchteter Menschen an den Grenzen Europas ist nicht nur egoistisch und inhuman, sondern letztlich ein Ausdruck ungebrochen fortgesetzten kolonialistischen Denkens.
Eine Ethik der Solidarität muss an die wachstumsgetriebene Gier treten. Das „höher, schneller, weiter“ ersetzt Zufriedenheit mit dem Vorhandenen durch eine selbstdarstellerische Leistungsideologie. Der ständige „Wettbewerb“ treibt Menschen fort von ihren Bedürfnissen nach Ruhe und Harmonie.
„Global denken und lokal handeln“, lautet die Devise. Neben Steuern und Gesetzen können auch alle Einzelnen etwas beitragen zum Klimaschutz. Beide Aspekte muss emanzipatorischer Journalismus detailliert vorstellen und bewerten.
Vorschläge für individuelles Handeln sollten Medien sammeln und zur Diskussion stellen. Vorschläge für staatliche Maßnahmen müssen ebenso erörtert werden. Schließlich geschieht in der Politik selten etwas ohne den Druck aus der Bevölkerung.
Jede örtliche Demonstration von „Fridays for Future“ muss deshalb genausoviel Raum in der Berichterstattung bekommen wie der Landrat, Oberbürgermeister, Bürgermeister oder Stadtrat. Gejammere von Unternehmern über den Klimawandel oder die Klimapolitik darf nicht ohne Hinweis auf die dahinterstehenden Interessen und die Verantwortung der neoliberalen Marktideologen für den drastischen Klimawandel veröffentlicht werden. Arbeitsplätze können kein Argument gegen wirksame Sofortmaßnahmen zum Klimaschutz sein.
Transparenz aller politischen Entscheidungen ist die Voraussetzung für ein Zurückdrängen von undemokratischem Lobbyismus. Die bisherigen – allzu oft korrumptiven – Strukturen der Politik, in die sich medienschaffende häufig haben einbinden lassen, gehören angesichts ihrer menschenfeindlichen Auswwirkungen auf den Müllhaufen der Geschichte.
Bilder als wirkmächtige Übermittlungsform von Ereignissen sollten das Abschmelzen von Gletschern, ausgetrocknete Felder, brennende Wälder und auch Demonstrationen dagegen dokumentieren. Möglicherweise sollten Archivbilder dagegensetzen, wie Natur früher einmal ausgesehen hat und was bereits verloren ist.
Pressefreiheit bedarf der inneren Haltung der Handelnden im Journalismus. Sie bedarf aber auch der Abwehr äußerer Einflussnahme sowohl seitens der Wirtschaft als auch seitens des Staates. Darum müssen Journalistinnen und Journalisten auch entschieden eintreten gegen die ausufernde staatliche Überwachung und für einen wirksamen Schutz von Whistleblowern.
Viel zu lange haben viel zu viele Menschen in den Medien zum Raubbau an der Natur geschwiegen. Der Schutz der Menschen und ihrer Lebensbedingungen ist eine der vornehmsten Aufgaben der sogenannten „4. Gewalt“. Künftig muss er im Vordergrung aller journalistischer Aktivitäten stehen.

Ein Kommentar zu “4. Gewalt for Future: Klimawandel auch im Journalismus

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