Das „Sicherheitsgefühl der Bevölkerung“ veranlasst die Stadt Marburg zu teuren Einsätzen städtischer Ordnungskräfte. Die Kriminalstatistik hingegen gibt deutlich Entwarnung.
Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für Hessen erreicht die Aufklärungsquote im Jahr 2018 einen neuen Rekordwert. Gleichzeitig ist die Straßenkriminalität gesunken. Die Fakten geben also keinen Grund zur Beunruhigung.
Wer ein angeblich gesunkenes „Sicherheitsempfinden der Bevölkerung“ ausmacht, begibt sich damit auf das Glatteis, das Rechtspopulisten in den sogenannten „Sozialen Medien“ seit Jahren eifrig polieren. Aus Angst vor Fremden verbreiten sie Lügen über angebliche Straftaten von Flüchtlingen. Diese – oft gezielt verbreiteten – Falschmeldungen dienen ihnen dann als Anlass, über ein Gefühl der Unsicherheit zu lamentieren. Sogenannte „Sicherheitspolitiker“ greifen diese – vorsätzlich geschürten –
Ängste dann freudig auf, um lange gehegte Wünsche obrigkeitsstaatlicher Maßnahmen zu legitimieren. Die Novellierung des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes und des Hessischen Gesetzes für Sicherheit und Ordnung (HSOG) sowie mehrerer Polizeigesetze in verschiednenen Bundesländern greifen dieses Lügengespinst eilig auf, um Grund- und Freiheitsrechte der Bevölkerung zugunsten von mehr Macht für Polizei und Geheimdienste einzuschränken. Gefühle müssen hier also als Argument herhalten, um Fakten zu schaffen.
Mit den Gesetzgebungsverfahren und der Begründung ihrer angeblichen Notwendigkeit durch drohenden Terrorismus und andere Gefahren tragen die Gesetzgebenden dann dazu bei, die Befürchtungen in der Bevölkerung weiter zu vergrößern. So begründen sie ihre Grundrechtseinschränkungen mit den Effekten ihrer eigenen Argumentation und nicht mit handfesten Fakten. Die Tatsachen sprechen nämlich eindeutig gegen die Notwendigkeit dieser Bürgerrechtseinschränkungen.
Aus diesem Grund sollten Wörter wie „Sicherheitsgefühl“ oder „Sicherheitsempfinden“ aus dem Vokabular von Polizei und Behörden gestrichen werden. Vielmehr sollte sich die Polizei stolz zurücklehnen, weil sie mit den vorhandenen Instrumentarien doch offenbar eine gute Arbeit bei der Verbrechensbekämpfung geleistet hat.
Ein Gefühl mangelnder Sicherheit ist nur in einem einzigen Punkt durch Fakten zu begründen: Seit den Drohschreiben des „NSU2.0“ an die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basey-Yildiz hat die hessische Polizei noch keine glaubwürdige Distanzierung von Neonazis in ihren eigenen Reihen hingekriegt. Offenbar ist die Polizei nicht nur in Hessen in erschütternd hohem Maß von Neonazis unterwandert.
Das gibt Grund zur Besorgnis. Bedauerlich ist zudem, dass nicht der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier die Aufklärung rechtsradikaler Umtriebe in der Landespolizei zur Chefsache gemacht hat, sondern dass dafür eigens der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aus Berlin nach Frankfurt kommen musste. In Hessen bleibt hier also noch viel zu tun.