Patricia Schlesinger hat dem Ansehen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks massiv geschadet. Nun bedarf es auch einer Debatte um seine Strukturen.
Offenbar war der Rundfunkrat nicht in der Lage, das Geschäftsgebaren der Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) und seines Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf-Dieter Wolf wirksam zu kontrollieren. Jedenfalls häuften sich die Vorwürfe gegen beide, sie hätten einander oder dem Ehemann der Intendantin unlautere Vorteile verschafft. Als Vorsitzende des RBB-Rundfunkrats war Friederike von Kirchbach anscheinend nicht über die meister der – jetzt kritisierten – Vorgänge informiert.
Nach bisheriger Gepflogenheit werden die Rundfunkräte der Landesrundfunkanstalten von sogenannten „gesellschaftlichen Gruppen“ besetzt. Sie entsenden Vertreerinnen und Vertreter in diese Gremien, die auf ehrenamtlicher Basis arbeiten. Hinzu kommen dann auch noch Politiker der jeweiligen Landtagsparteien.
Vorbereitet werden die Entscheidungen der Rundfunkräte von der Intendanz und vom Verwaltungsrat des Senders sowie in Arbeitsgruppen. Vorbesprochen werden sie oft in sogenannten „Freundeskreisen“, die Vertreterinnen und Vertreter eher konservativer Organisationen im Rundfunkrat einerseits und solche eher progressiver Richtungen andererseits bilden. Meist können die Rundfunkräte nur abnicken, was ihnen aufgetischt wird.
Eine wirksame Kontrolle der Verantwortlichen im Sender sollte dann über den Verwaltungsgrat erfolgen. Doch dieses Gremium ist meist intransparent, da es – im Gegensatz zu den Rundfunkräten – nicht öffentlich tagt. Selbst die Mitglieder der Rundfunkräte bekommen viel zu wenig davon mit, was beispielsweise konkret mit den Finanzen des Senders geschieht.
So zumindest stellt sich die Situation im RBB nun dar. Doch auch in anderen Rundfunkanstalten ist das Konstrukt ähnlich wie beim RBB. Darum ist eine Debatte über die Strukturen und deren Demokratisierung dringend notwendig.
Sollte sie nicht schnell zu mehr Transparenz führen, steht eine breite öffentliche Diskussion über die Existenzberechtigung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks zu befürchten. Sie wäre jedoch Gift für die Demokratie. Allein die öffentlich-rechtliche Struktur der Hörfunk- und Fernsehsender gewährleistet eine staatsferne und vielfältige Berichterstattung und garantiert damit das Grundrecht der Bevölkerung auf Informationsfreiheit.
Ein staatsferner Rundfunk braucht – von den Gebührenzahlenden direkt gewählte – Aufsichtsgremien. Diese Forderung habe ich bereits im Mai 2015 erhoben. Die Verantwortlichen sollten sie jetzt endlich einmal genauer in den blick nehmen.
Die bisherige Praxis der „Entsendung“ der Rundfunkratsmitglieder durch sogenannte „gesellschaftliche Gruppen“ führt einerseits zu einer gewissen Intransparenz, weil die jeweiligen Vertreterinnen und Vertretern höchstens ihrer jeweiligen Gruppe, nicht aber der Öffentlichkeit gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Das könnte eine Wahl durch die Gebührenzahlenden ändern. Dann müssten die Kandidierenden für den Hörfunkrat des Deutschlandradios, den ZDF-Fernsehrat oder die Rundfunkräte ihre Arbeit öffentlich zur Diskussion stellen.
Andererseits würde die Direktwahl den Einfluss der politischen Parteien und den Zugriff der Regierungen auf die Sender weiter erschweren. Die „Staatsferne“ ist eine der wesentlichen Grundforderungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) an den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk in Deutschland. Dieser Forderung würde eine Direktwahl der Rundfunkräte gewiss einen weiteren Schub verschaffen.
In Zeiten des Internet könnte die Wahl online und über Briefwahlunterlagen erfolgen. Kandidatenvorstellungen könnten im jeweiligen Programm stattfinden. Genaueres wäre wohl noch herauszuarbeiten.
Wichtig wäre jedoch, dass durch das Angebot einer Direktwahl die Hörerinnen und Hörer sowie die Zuschauerinnen und Zuschauer die jeweilige Anstalt als „ihren Sender“ betrachten würden. Wer Einfluss nehmen kann, verfolgt das Geschehen meist mit größerem Interesse.
Natürlich ist die Direktwahl der Aufsichtsgremien kein Allheilmittel. Auch ist nicht zu erwarten, dass dabei eine hohe Wahlbeteiligung erreicht wird. Dennoch wäre allein schon die Möglichkeit der Einflussnahme gerade für das Stammpublikum ein wichtiger Ausdruck der Wertschätzung, der das Verhältnis zwischen Sender und Publikum verbessern könnte.