Verurteilung oder Verantwortung: Die letzte Generation in den Medien

„Die letzte Generation“ macht von sich reden. Ihre Aktionen rufen heftige Reaktionen hervor. Wie sollten seriöse Medien sich dazu verhalten?
Wenn junge Menschen in Museen Kunstwerke mit Tomatensuppe oder Kartoffelbrei bewerfen und sich anschließend an Bilderrahmen festkleben, dann ist das durchaus eine fragwürdige Aktionsform. Wenn sich Aktive der „Letzten Generation“ auf Straßen festkleben, um damit mehr aktiven Klimaschutz einzufordern, dann ist das eine „klassische“ Sitzblockade mit zusätzlichem Einsatz von Sekundenkleber. Wenn sich sechs Aktive auf Rollbahnen des Flughafens Berlin-Brandenburg (BER) festkleben, dann ist das eine durchaus gezielte Aktion gegen Flugverkehr als einen der wesentlichen Verursacher des Klimawandels.
Über diese Aktionen müssen seriöse Medien berichten. Jede geifernde Reaktion darauf ist aber nicht unbedingt immer eine wichtige Nachricht. Keinesfalls sollten sich engagierte Journalistinnen und Journalisten zu unkritischer Unterstützung einer Kriminalisierung solcher Aktionen verleiten lassen.
Wenn der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz von „Kriminellen“ spricht, dann muss er sich die Frage gefallen lassen, wie viel kriminelle Energie dazu geführt hat, dass wirksame Gegenmaßnahmen gegen den Klimawandel immer noch weiter verzögert werden. Wie verwerflich ist eine Politik, die den drohenden Tod von möglicherweise gar Millionen Menschen durch Hitze und Hunger, Überflutung und andere Folgen des Klimawandels offenbar duldsam in Kauf nimmt und nicht alles Menschenmögliche unternimmt, um die Menschheit vor dieser Katastrophe zu schützen? Wie korrupt ist eine Partei, die auf Geheiß von Porsche ein tempolimit und ein verbot von Verbrennungsmotoren verhindert?
Engagierter Journalismus muss in Zeiten der Klimabedrohung regelmäßig über positive Entwicklungen wie drohende Gefahren berichten. Wieder und wieder sollten Medien den Stand der Umweltzerstörung dokumentieren. Tagtäglich sollten sie über Aktivitäten berichten, die zum Schutz des Klimas unternommen werden oder unternommen werden sollten.
Wenn Medien sich auf die Seite von Politikerinnen und Politikern schlagen und gemeinsam mit ihnen auf „Die letzte Generation“ einschlagen, dann werden sie ihrer Verantwortung als „Vierte Gewalt“ nicht gerecht. Journalismus muss in einer Demokratie Partei ergreifen für Meinungsfreiheit und Diskurs. Dazu gehören auch Diskurse, die mit Mitteln am Rande der Legalität geführt werden.
Wichtig ist die Fokussierung auf Klimaschutz und Artenschutz statt auf Strafrecht und Abschreckung. Klar machen müssen sich die Menschen in den Medien, dass auch sie mit ihrer eher zögerlichen Berichterstattung über Klimawandel und Artenschutz mit dazu beigetragen haben, dass manche Menschen meinen, nun zu drastischen Mitteln und zum Sekundenkleber greifen zu müssen. Nicht die – möglicherweise mitunter nicht besonders klugen – Menschen der sogenannten „Letzten Generation“ sind die Verbrecher, sondern diejenigen, die den Klimaschutz seit Jahren behindert haben udn immer noch weiter behindern.
Das muss mal gesagt und geschrieben werden. Da haben Journalistinnen und Journalisten eine große Verantwortung. Die Verantwortung für den Klimaschutz dürfen weder sie noch die Politik auf die Einzelnen abladen.
Jede und jeder kann etwas tun und muss etwas tun. Die Politik muss dafür die richtigen Rahmenbedingungen setzen und lebensbedrohende Entwicklungen unterbinden. Medien müssen das immer wieder einfordern, wenn sie ihrer moralischen Verantwortung gerecht werden sollen.

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