Behinderte ans Licht: Die im Dunkeln sieht man nicht

Gut 10 Prozent der Bevölkerung haben eine Behinderung. In der Öffentlichkeit und den Medien sind Menschen mit Behinderungen jedoch unterrepräsentiert.
Das hat gleich mehrere unterschiedliche Gründe. Teils liegen sie an den Lebensbedingungen der Betroffenen, teils an ihren Mitmenschen und zu einem geringeren Teil auch an den Einstellungen der behinderten Menschen selbst.
Bauliche Barrieren wie auch körperliche, gesundheitliche und andere Einschränkungen schließen Menschen mit einer Behinderung häufig von der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben aus. Diese Barrieren erweisen sich als umso schwieriger, je qualifizierter die angestrebten Aktivitäten sind. Findet man in den meisten Städgten noch rollstuhltaugliche Räumlichkeiten oder Toiletten, so mögen Fernseh- und Hörfunkstudios, Bühnen und Garderoben von Konzert- und Veranstaltungssälen oder Festivals vielleicht häufiger den Anforderungen an eine barrierefreie Nutzung nicht oder zumindest nicht vollständig entsprechen.
Hinzu kommen Barrieren in vielen Köpfen. Berührungsängste und die Furcht vor erhöhtem Aufwand mögen manche Veranstalter davon abhalten, behinderte Künstlerinnen oder künstler, Referentinnen oder Diskutanten einzuladen. Wenn eine nichtbehinderte Person zur Verfügung steht, spart ihnen das vermeintlich viel Kopfzerbrechen und Engagement.
Dabei dürfte ein Großteil dieser Befürchtungen überzogen sein. Oft stellt sich heraus, dass Barrieren mit einfachen Mitteln zu überwinden und die Berührungsängste im Vorfeld die Gestalt von Michael Endes „Scheinriesen“ angenommen haben, während die Realität sich hinterher viel entspannter darstellt. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg oder eine improvisierte Rampe.
Ein Hemmnis auf Seiten der Betroffenen ist die Tatsache, dass viele aufgrund ihrer Behinderung nicht so mobil sind wie die anderen. Für manche ist Reisen mit erhöhtem Aufwand und mitunter auch Stress verbunden. Insofern meiden einige die unbekannte Umgebung, die anstrengende Fahrt oder die Übernachtung an unbekanntem Ort.
Manche Mitmenschen leiden auch an Berührungsängsten. Sie sind in Sorge, behinderte Menschen möglicherweise falsch anzusprechen oder zu behandeln. Aufgrund mangelnder Gewöhnung an Menschen mit Behinderungen wegen fehlender Inklusion meiden sie daher lieber diesen Kontakt mit dem Unbekannten.
Aber auch Betroffene selbst sind oft zu zurückhaltend, den angemessenen Platz in der Gesellschaft einzufordern. Dabei kann sich ihre Situation nur ändern, wenn viele Menschen mit Behinderungen selbstbewusst in die Öffentlichkeit treten und ihre Bedürfnisse dort artikulieren. Auch sie sollten sich nach Möglichkeit für Verbesserungen einsetzen und sich das nötige Wissen und die erforderlichen Fertigkeiten für einen Dialog in Medien, für Interviews und Veranstaltungen aneignen.
Natürlich ist nicht jede und jeder der geborene Kommunikator. Das gilt für alle Menschen ohne Ansehen ihrer gesundheitlichen und körperlichen Eigenschaften. Auch ist es wichtig, die Regeln erfolgreichen Kommunizierens möglichst genau zu kennen und zu beachten.
Aber diejenigen, die ihre Stärken entwickeln und der Gesellschaft zur Verfügung stellen möchten, sollten sich durch eine Behinderung nicht davon abhalten lassen. Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen von Gesellschaft, Kultur, Politik und Medien wären gewiss eine Bereicherung. Zwar hat die Behindertenbewegung hier schon viel erreicht, aber gerade angesichts der schleichenden Vergiftung des politischen Klimas müssen mehr behinderte Menschen sichtbarer in die Öffentlichkeit treten.