„Sprache ist eine Waffe; haltet sie scharf“, riet einst der Satiriker Kurt Tucholsky. In jedem Fall sollte man gut auf sie aufpassen.
Diese Achtsamkeit erreicht man allerdings am ehesten durch eigene Einsicht in die Gefahren, die von einem nachlässigen oder bevormundendem Umgang mit Sprache drohen. Hinweise anderer personen können dabei hilfreich sein. Eher schädlich hingegen wirken bevormundende Anweisungen, welche Formulierungen alle anderen gefälligst zu verwenden haben und welche nicht.
So ist klar, dass Sprache diskriminieren kann. Wie aber Diskriminierungen durch Sprache zu vermeiden sind, sollte jede und jeder selber für sich entscheiden. Wichtig ist dqabei in erster Linie die Sensibilität für die Mitmenschen ebenso wie der Respekt gegenüber ihnen.
Mindestens genauso wichtig ist, dass niemand seiner freien Wortwahl beraubt wird. Wer ständig Angst davor hat, etwas Falsches zu sagen, sagt am Ende lieber gar nichts mehr oder meidet gar den Kontakt beispielswise mit Behinderten, Kranken, Alten oder Angehörigen sozialer und ethnischer Minderheiten. Damit wäre dann das Kind mit dem Bade ausgeschüttet worden.
Andererseits möchte wohl kaum jemand ans Bett oder den Rollstuhl gefesselt werden. Wer solche Formulierungen allzu unbedacht gebraucht, der leistet damit vielleicht sogar ungewollt denjenigen Vorschub, die in Psychiatrischen Anstalten die Patienten ans Bett fesseln und das dann verharmlosend „fixieren“ nennen. Ebenso nennen sich diese Verwahranstalten meist Kliniken, obwohl viele von ihnen als einzige Therapie Medikamente bereithalten, die die Patienten ruhigstellen und ihres freien Willens berauben.
„Patienten“ werden so wirklich zu „Duldenden“ oder „Leidenden“, wie es das lateinische Wort in seiner ursprünglichen Bedeutung ausdrückt. Nur allzu häufig ist das Wort „Leid“ oder „Leiden“ für Ärzte eine gern vorgeschobene Rechtfertigung dafür, ihnen anvertraute Menschen unmenschlich zu behandeln. Besonders extrem war das bei der sogenannten „Euthanasie“ der Nationalsozialisten, die den Mord an mehr als 300.000 Kranken und Behinderten mit der angeblichen „Erlösung“ dieser Menschen von ihrem „Leid“ begründeten.
Gerne nutzen Forschende die Vermeidung angeblicher „Leiden“ durch „Heilung“ von Krankheiten auch zur Werbung für ihre wissenschaftlichen Vorhaben. Geld garantieren solche Heilsversprechen allemal, selbst wenn sie häufig überhaupt nicht eingelöst werden. Aber diese Versprechen suggerieren, eine Welt ohne Krankheiten sei möglich und wünschenswert.
Tatsächlich gehören Krankheit und Tod aber zum Leben dazu wie Gesundheit und Geburt. Diese Dialektik ist im Schwarz-Weiß der Werbung aber eher ausgeblendet, wo nur junge schöne Menschen vorkommen, die glücklich über Bildschirme hüpfen oder von Plakatwänden lächeln.
Ebenso verheißt der Werbesprech dann „Kernkraft“ als eine Art Apfel oder Kirsche anstelle von Atomenergie. Gesetze werden mittlerweile als „Gutes Kita-Gesetz“ bezeichnet, obwohl sie eigentlich „Kita-Teilfinanzierungsgesetz“ heißen müssten. Die gnadenlose Verhinderung der Rettung Schiffbrüchiger im Mittelmeer wird als „Schutz der Außengrenzen Europas“ gepriesen, obwohl sie einem Mord oder Totschlag hilfloser Schutzbedürftiger gleichkommt.
Besondere Aufmerksamkeit genießen derzeit Rassisten, die Flüchtlinge gerne mit dem Adjektiv „kriminelle“ titulieren und dann gleich noch das Wort „Abschiebung“ dazufügen. Obwohl gerade die meisten Lautsprecher von AfD, NPD und Pegida prozentual eher Probleme mit Gesetzen haben als die meisten Geflüchteten, werden sie von Medien doch ungebrochen zitiert; und in beflissener Nacheile bedienen sich gleich danach auch Innenminister Horst Seehofer und die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock dieser rassistischen Terminologie.
Wer Afghanistan als „sicher“ bezeichnet und Menschen dorthin abschiebt, den sollte man doch einmal zum Urlaub dorthin schicken. Wer die sogenannte „libysche Küstenwache“ mit der Seenotrettung im Mittelmeer betraut und seine sogenannten „Ankerzentren“ am liebsten in Libyen errichten möchte, den sollte man vielleicht einmal in einer Gruppe afrikanischer Flüchtlinge dorthin schicken. Wer die Fluchtursachen in den Herkunftsländern bekämpfen möchte, der leugnet damit meist die Nachwirkungen jahrzehnte- oder gar jahrhundertelangen Kolonialismus.
Wer Menschen morgens um 5 Uhr aus dem Bett holt, um sie abzuführen, und das „Rückführung“ nennt, dem haltet die Praxis der Geheimen Staatspolizei (GeStaPo) der Nazis entgegen, die den Überraschungsmoment im Schlaf als ersten Schritt für nachfolgende Foltermethoden nutzte. Wer als traumatisierter Ex-Häftling aus einem diktatorisch regierten Land im deutschen Flüchtlingscamp mitansehen muss, wie Menschen abgeholt werden und vor ihren weinenden Familienangehörigen schreiend und verzweifelt weggebracht werden, der könnte das auch als eine Art „Folter“ bezeichnen. Wer die Menschenwürde mit Füßen tritt und sich selbst dann als „Demokraten“ bezeichnet, dem haltet den Kategorischen Imperativ von Immanuel Kant entgegen, der von jedem fordert, sich anderen gegenüber genau so zu verhalten, wie der selber gern behandelt werden möchte!
Sprache ist eine Waffe; nehmt sie vor Missbrauch in Schutz! Achtet auf Eure Sprache und auf die der anderen! Achtet darauf, dass Ihr nicht sprachlos seid, wenn Rassisten oder Feinde der Demokratie Euch mit der Sprache des Faschismus überrennen!