„Das erste Opfer jedes Kriegs ist die Wahrheit.“ Diese journalistische ‚Binsenweisheit stimmt leider nicht ganz.
Bereits vor Kriegsbeginn ist die Wahrheit schon gestorben. Noch vor ihr stirbt aber die Ehrlichkeit: Die Entourage der Kriegsbreiberinnen und Kriegstreiber trauen sich nicht mehr, dem herrschenden Potentaten ihre Meinung ehrlich ins ‚Gesicht zu sagen.
So sieht es vermutlich auch im Umfeld des russischen diktators Vladimir Putin aus. Schritt für Schritt hat er die Demokratie in Russland scheibchenweise zerkleinert. Schritt für Schritt hat er die Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit abgebaut.
Am Ende dieses schleichenden Prozesses steht das Verbot, den Krieg in der Ukraine überhaupt noch „Krieg“ zu nennen. Zugleich stellt die russische Regierung jede Berichterstattung darüber unter Strafe, die nicht den Vorgaben der staatlichen Propaganda entspricht. 15 Jahre Haft kostet nun also in Russland die Freiheit, die Wahrheit zu saben.
Wer allzu lange an der Macht ist, der verliert die Bodenhaftung. Die Beziehung zu den Menschen auf der Straße ist weit weg von den einsamen Palästen der Mächtigen, die sich darin selber einmauern aus Furcht vor Angriffen auf ihre Macht. Aus dem gleichen Grund gruppieren sie auch meist nur noch Ja-Sager um sich herum, weil sie glauben, diese Figuren ohne Rückgrat könnten ihnen nicht gefährlich werden.
So einsam war Putin bereits, als er die russischen Truppen rund um die Ukraine aufmarschieren ließ. So einsam war er sogar schon, als er Alexej Nawalny aus Furcht vor dem drohenden Verlust seiner diktatorischen Alleinherrschaft hinterrücks mit Nowitschok vergiften ließ, was er offiziell natürlich nie getan hat. Nun ist Putin noch viel einsamer, weil er das Verbrechen eines Angriffskriegs und die Zerstörung von Wohnhäusern und Städten verantworten muss vor der Welt, die ihn nun in eine historische Reihe mit dem sowjetischen Diktaor Josef Stalin stellt.
Macht macht einsam. Solidarität macht stark. Das kann man in der Ukraine beobachten, wo Präsident Wolodomir Selenskij nun zu einem regelrechten „Volkshelden“ hochgejubelt wird. Der telegene Medienmann findet meist die richtigen Worte, um sein Volk mitzureißen trotz der offenkundigen Aussichtslosigkeit seines Kampfes geen die russische Militärmacht.
Ob dabei immer alles wahr ist, was ukrainische Quellen berichten, mag man im Einzelfall auch manchmal bezweifeln. Grund für Falschinformationen ist dann aber nicht Unehrlichkeit, sondern mitunter der Wunsch nach einer tröstlicheren Wahrheit als der des zerstörerischen Kriegs. Die bittere Wahrheit dieses Kriegs jedoch ist, dass Frieden nur möglich ist, wenn den Mächtigen klare Grenzen gesetzt und auch durchgesetzt werden, was im Fall Putin bezüglich der Krim und vielen anderen Militäroperationen bislang leider nicht geschehen ist.
Insofern hat auch das taktierende Verhalten des Westens gegenüber Putin mit dazu beigetragen, dass er den Angriff auf die Ukraine gewagt hat in dem Wissen, dass der Westen ihm nicht in den Arm fallen wird. Die >Menschen in der Ukraine sind die Opfer, die die Furcht vor einem Atomkrieg nun fordert. Aber auch viele Menschen in Russland sind Opfer dieses Kriegs und der Politik Putins und seiner Schergen, die das russische Volk in unwissende und wehrlose Geiselhaft nimmt für den schändlichen Machthunger eines einsamen Diktators.