Rassismus tötet: Lehren aus dem Mord an Walter Lübcke

Der Mord an Walter Lübke war ein Anschlag auf die Humanität. Für das rassistische Klima, in dem er stattfand, sind wir alle mehr oder weniger mitverantwortlich.

Die rassistische Hetze gegen Geflüchtete hat Neonazis wie Stefan E. angestachelt, ihrem Hass freien Lauf zu lassen. In sogenannten „Social Media“ haben sie sich gegenseitig in diesem Hass bestärkt und einander ermutigt. Immer unverhohlener trauen sich Rechtspopulisten, Rassisten und Neonazis mit ihrer Hetze in die Öffentlichkeit.
Fernseh-Talkshows haben Häme und Hetze viel zu viel Raum geboten. Sie haben die Rassisten hofiert und gestärkt. Die Jagd nach der Einschaltquote hat sie dazu verleitet, diesen gefährlichen Hetzern ein Podium zu bieten und dadurch deren Hetze zu verbreiten.
Medien haben sich auf das „Framing“ der Rechtspopulisten eingelassen und ihre Themenvorgaben bereitwillig aufgegriffen. Dadurch haben sie – oft unfreiwillig – dazu beigetragen, das politische Klima weiter anzuheizen. Vor Allem aber haben sie Politikern wie Horst Seehofer damit eine Grundlage geliefert für die Umsetzung rassistischer Hetze in Politik.
Die Verknüpfung von Flüchtlingen mit Kriminalität hat bis weit in die vielzitierte „Mitte der gesellschaft“ hinein gewirkt. Obwohl alle Kriminalitätsstatistiken von sinkenden Fallzahlen und steigenden Aufklärungsquoten sowie einer unterdurchschnittlichen Flüchtlingskriminalität berichten, haben die Innenminister fast aller Bundesländer im Gleichklang mit dem Bundesinnenminister schärfere Polizeigesetze ausgearbeitet und durch die Parlamente gepeitscht.
Der Begriff „Gefühlte Sicherheit“ beschreibt letztlich diese „Self fulfilling Prophecy“: Erst werden Gesetze mit Verweis auf islamistischen Terror und ausländische Straftäter oder sogenannte „Clans“ verschärft, womit das Gefühl der Bedrohung in der Bevölkerung bestätigt wird. Dann wird genau dieses – von den Innenpolitikern selbst erzeugte – Gefühl zur Grundlage weiterer Einschränkungen der Freiheitsrechte herangezogen.
Viele Menschen haben diesem gefährlichen Treiben mehr oder weniger tatenlos zugeschaut. Die Kriminalisierung der Seenotrettung auf dem Mittelmeer und Abschiebungen nach Afghanistan sind aber Verbrechen gegen die Menschlichkeit, deren Strafbarkeit auch nach dem deutschen Strafgesetzbuch (StGB) durchaus zu prüfen wäre. Seehofer und Salvini gehören wegen massenhaften Mordes angeklagt sowie wegen der damit einhergehenden Befeuerung rassistischer Gewalt geächtet.
Viele haben sie gewarnt. Sie haben diese Warnungen in den Wind geschrieben und weitergemacht mit Hetze und einer zutiefst menschenverachtenden Politik. Darum müssen sie sich fragen, ob sie nicht mitschuldig sind am Lübke-Mord.
Die sogenannte „Hufeisen“-Theorie mit einer Gleichsetzung rechter und linker Extremisten hat ein Übriges zur Verharmlosung des Nazi-Terrors im 21. Jahrhundert beigetragen. 74 Jahre nach dem Ende der Hitler-Diktatur marschieren wieder braune Horden auf deutschen Straßen, und Neonazis ermorden oder bedrohen christliche Politiker wie den Kasseler Regierungspräsidenten Lübke, die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker oder den Altenaer Bürgermeister Andreas Hollstein.
Die Geheimdienste haben faschistische Strukturen eher verharmlst als öffentlich kritisiert. Manche Polizisten und Geheimagenten stecken tief mit drin in diesem braunen Sumpf. Der sogenannte „Verfassungsschutz“ schützt nicht die Verfassung durch Einsatz für Grundrechte und Meinungsfreiheit, sondern eher sogar die kampfbereite Verfassung rechtsextremer Schlägertrupps.
Die Priorisierung des Quellenschutzes durch das Hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) und den damaligen Innenminister Volker Bouffier hat dazu geführt, dass die Verstrickung des V-Mann-Führers Andreas Temme in den Mord an Halid Yozgat nie eindeutig aufgeklärt worden ist. Der Verdächtige im Mordfall Lübke stand offenbar ebenso in Verbindung zu der rechtsradikalen Terrororganisation „Combat 18“ wie der sogenannte „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU). Gehörte der jetzt verdächtigte Neonazi aus Kassel etwa zum NSU?
Viele von uns haben sich hin und wieder empört. Doch was haben wir unternommen, um Menschen vor Nazis zu schützen? Wir alle müssen uns selbstkritisch fragen, wie weit wir selber dem Framing der Neonazis, Rechtspopulisten, Geheimdienste und Innenminister auf den Leim gegangen sind!
Notwendig ist nun eine konsequente Aufklärung durch unvoreingenommene Ermittler. Notwendig ist aber auch, dass wir die wirklich wichtigen Themen wie „Klimaschutz“ und „Wohnungsmangel“ in den Mittelpunkt politischer Debatten rücken. Bedingung für all das ist aber auch ein unerschrockener Einsatz für Bürgerrechte und Meinungsfreiheit, das Demonstrationsrecht und für eine Zukunft ohne Furcht vor Nazis, einer Klimakatastrophe oder sozialem Elend.

4 Kommentare zu “Rassismus tötet: Lehren aus dem Mord an Walter Lübcke

  1. Pingback: Zu lange auf dem rechten Abweg: Gedanken nach den Morden in Halle | Franz-Josef Hanke

  2. Pingback: Zu lange auf rechten Abwegen: Gedanken nach den Morden in Halle – Humanistische Union Marburg

  3. Pingback: Von Hass überwältigt: Marburg will gegen Terror und gewalt demonstrieren – marburg.news

  4. Pingback: Nie wieder Faschismus: Ausgerechnet Seehofer, VS und VDS gegen Antisemitismus? | Franz-Josef Hanke

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

*